Robins Nebenlager

Die Bestimmung von euch Druiden ist es nicht nur, die Kranken und Schwachen in euren Dörfern zu schützen und zu pflegen. Auch nicht, Rituale zu vollführen, Wunder zu verwirklichen und den Göttern zu huldigen. Nein, dies sind alles Nebenaufgaben im großen See der Aufgaben von euch Druiden. Ein Druide wird immer von seinen Nächsten geehrt und respektiert und so solltet auch ihr eure Nächsten respektieren und ehren. Ebenfalls ist es eure Aufgabe den nächsten Generationen die gleichen Werte zu vermitteln, wie sie euch vermittelt wurden und ihnen zu zeigen, wie sie sich besser verhalten sollten. Aber es ist eure höchste Pflicht die Natur um euch herum zu schützen, sie zu wahren, sie zu respektieren und zu ehren, vor den gierigen Händen der Könige und Kaiser draußen zu schützen. Die Natur ist ein Teil von uns und so sind auch wir ein Teil der Natur, vergesst dies nie.

Eine der letzten Lektionen und Worte der Lehrerin
an die achte Generation ihrer Schüler.
Erzdruidin Líará


Dies waren die letzten, weisen Worte, welche der nun voll ausgebildete Druide Cillian von seiner Lehrerin hören würde, dies war jedoch nicht der Fall, weil sie kurz davor stand in die Anderswelt überzugehen. Die Erzdruidin Líará war nur dafür bekannt, das sie eine sehr beschäftige Frau war, welche kaum Zeit hatte, mit irgendwem anderes, als ihren Schülern zu reden. Dabei wurde Cillian aber etwas traurig. Er mochte die Lehrstunden mit seiner Tutorin und sehnte sich beinahe immer dazu, eine Diskussion mit ihr zu führen. Auch wenn es ihm so vorkam, als würde ihr eine Wutader auf dem Kopf spontan wachsen, wenn sie mit ihm redete…

So sehr es ihn auch schmerzte seine Lehrerin loszulassen, blickte er nach vorne und sah sein volles als auch friedliches Dorf. Es war das größte Dorf in der Geschichte der Kelten und saß nahe an einem tiefen Abhang zwischen den Bäumen eines dichten Waldes. Ein paar kleine Seen war zwischen den einzelnen Häusern verteilt, welche alle in einen Fluss mündeten, der gen Abgrund floss und einen Wasserfall bildete. Zwar war die Ansiedlung an der Klippe keine leichte Begebenheit und man rannte immer Gefahr über die Klippen in den Abgrund stürzen zu können, aber es hatte einen guten Grund, dass diese Gemeinde sich so nah daran siedelte. Der Wasserfall, oder eher, dass was der Wasserfall hinter sich verbarg, war der Grund dafür, dass sie sich so nahe an einen Abgrund ansiedelten. Mithilfe eines langen Pfades, welcher einen Fußweg von drei Stunden darstellte, konnte man an eine heilige Stätte der Túatha dé Danann erblicken. Eine geweihte Höhle mit Monumenten, einem Opfertisch und einem großen Innenraum. Alle dieser Elemente waren schon vorhanden, bevor die Gemeinschaft hier ansiedelte. Sie durften aber nicht zu nahe an die heilige Stätte ansiedeln, denn ansonsten würden sie die Götter mit ihrer Präsenz entehren. Zudem ereilte sie an der heiligen Stätte ein zweites Wunder. An der Stelle, an welcher sie siedelten, war eine riesige und heilige Eibe. Sie ist ein Symbol Unsterblichkeit und steht für Auferstehung und Langlebigkeit. An diesem Ort vollzogen die Druiden der Gemeinschaft mit allen Anderen das Fest des Samhains und huldigten den verstorbenen, auch dass sie erneut geboren werden.

Die heilige Stätte der Höhle wurde nur benutzt, sollten die Götter gehuldigt werden und diese Gemeinschaft huldigte gemeinsam nur drei Götter. Die Muttergöttin der Túatha dé Danann, Danu, die Göttin des Todes und der Schlachten, die Morrigan, welche immer in Form eines Raben über die Gemeinschaft wachte und die Flussgottheit, der die heilige Stätte mit seinem Wasser vor außenstehenden verschleiert und schützt, Elcmar. Doch diese ebenjene heilige Stätte wird nun benutzt, um die neuen und frischen Druiden in Waschechte Druiden zu verwandeln. Mithilfe eines Tieropfers erhalten die jungen Druiden nicht nur einen treuen Begleiter, welcher mit ihnen die materielle Welt verlässt und in die Anderswelt des Elfenhügels Síds wechselt, sie bekommen auch eine eigene Tierform. Jeder Druide hatte die Möglichkeit sich in sein erstes geopfertes Tier zu verwandeln und es blieb auch bei diesem Tier. Daher mussten die Jünglinge weise wählen, welches Tier ihr treuer Begleiter, als auch ein ihre Seele gebranntes Zeichen werden würde.

"Hmm… Ich habe mich noch nicht für ein Tier entschieden, aber wir haben dafür ja auch noch mehr als zwanzig Tage Zeit. Hast du dich schon entschieden, Cillian?", sprach eine helle Stimme den jungen Cillian an. Die Stimme gehörte niemand anderen, als seiner besten Freundin seit Kindheitstagen: Ailís. Sie war eine freche, freundliche als auch intelligent junge Dame. Ihr Verhalten glich zwar eher dem eines Jungen, aber dies hielt sie nicht davon ab, dass sehr viele der Dorfjungen um ihre Hand anhielten aufgrund ihres hübschen und verzaubernde Gesichts und Körpers. Sie fühlte sich zwar geehrt so begehrt zu sein, aber sie lehnte bis jetzt jeden Anhalter, ohne mit der Wimper zu zucken, ab. Nach ihren Aussagen hatte sie kein Interesse in diese Dinge. Cillian machte nicht mal den Finger krum, damit er um ihre Hand anhalten konnte, er wusste, dass er so enden würde wie all die Anderen vor ihm. Zudem dachte er, es würde ihre momentane Beziehung zueinander merkwürdig gestalten, also beließ er es bei diesem Status Quo.

"Versuchs doch mit Schildkröten, die sind immerhin genauso langsam wie du, wenn du irgendwo hingehst.", bemerkte Cillian mit einem unterdrückten Lachen. Nach diesem Kommentar spürte er plötzlich einen stechenden und stumpfen Schmerz in seiner Seite. Ailís hatte ihre Faust tief in seinem seitlichen Brustkorb vergraben und warnte ihn, dass er sie nicht unnötig anstacheln soll, da es ansonsten zu einem Faustkampf auf die Ehre im Schlamm kommen würde.

"Aber wirklich, eine Schildkröte würde pass-", wollte Cillain weiter erzählen, aber Ailís drohte mit ihrer sogenannten 'eisernen Faust'.

"Kann ich denn wenigstens meinen Vorschlag aussprechen, bevor du mir im Schlamm meine Ehre nimmst, euer Ehren?", fragte er und erhoffte sich, dass seine Knochen heute verschont bleiben würden. Unerwarteterweise stimmte Ailís zu und er versuchte seinen Satz wieder zu fangen und weiter auszusprechen.

"Also, wie gesagt, eine Schildkröte würde passen, da ihr Panzer sehr schwer zu durchbrechen ist. Außerdem finde ich, dass Schildkröten wirklich interessante Zeitgenossen sind. Sie passen also zu dir und deiner Art, oder?", nur wenige Sekunden nach dem Aussprechen dieses Vorschlags verschränkte Cillian seine Arme vor seinem Gesicht in Erwartung, dass nun über eintausend Fäuste auf ihn regnen würde, aber seine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Stattdessen konnte er beobachten, wie Ailís still überlegte und, wie für sie typisch, sie ihr Kinn auf ihrer Faust stützte. Nach einigen Sekunden des Überlegens fasste sie ihre Worte und bestätigte die Aussage von Cillian, lehnte aber den Vorschlag ab. Ihrer Meinung nach war ein Wolf oder Hirsch besser für sie geeignet wären. Cillian zuckte mit den Achseln und verabschiedete sich von Ailís. Doch bevor er auch nur gehen konnte, hielt sie ihn an seinem Arm fest.

"Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Cillian. Hast du dich denn schon für ein Tier entschieden?", fragte Ailís mit einem eisernen Griff, welcher noch fester wurde. Cillian konnte spüren, wie seine Hand taub wurde, doch er wusste, dass er sich nicht aus dem Griff herauswinden konnte, dafür war der Griff zu stark. Stattdessen antwortete er auf die Frage, auch wenn er es eigentlich niemanden sagen wollte.

"Komm mit, es muss ja nicht jeder wissen.", antwortete er auf die Frage und zerrte Ailís hinter sich an einen menschenleeren Ort. Überrascht über die scheinbar spontane Entscheidung von Cillian und den Blicken der anderen Dorfbewohner starrte sie ihn an und erwartete eine Antwort, welche zu einem menschenleeren Ort passen würde. Voller Spannung und Nervenkitzel klebte sie an den Lippen des Jungen vor ihr, welche bereits damit begonnen haben sich zu bewegen und die ersten Silben zu formen. Sie wusste aber nicht, was sie mit dem Wort, dass Cillian nannte anfangen sollte. Ailís hatte nie zuvor eine Eule gesehen und nur von ihren Eltern und der Erzdruidin Líará von diesen Tieren gehört. Sie sollen majestätische und elegante Tiere der Lüfte sein und vor allem; selten.

"Bist du dir denn sicher, das du eine Eule überhaupt fangen kannst, mein kleiner Grashalmarm?", stellte Ailís, nach einem kurzen Blick auf Cillians Arme, sarkastisch fest. Er verschränkte sie beleidigt und sagte, dass es nicht auf die Körperkraft, sondern auf den Kopf und die Fähigkeiten ankommen würde. Und in der Tat hatte er recht. Aus allen Druiden, welche Líará unterrichtete, war er der talentierteste Druide, welchen sie je gesehen hat, sogar talentierter, als sie es in seinem Alter war. Aber dennoch war es schwer diese eleganten und seltenen Tiere zu fangen und zu opfern. Der Schädel des Tieres sollte maximal einen Tag alt sein, damit das Ritual auch vollständig funktionieren kann.

"Keine Sorge… Ich kriege es schon irgendwie hin."

20 Tage später

Es waren zwanzig Tage vergangen und Cillian hatte am gestrigen Tage erfolgreich eine Eule gefasst und hielt sie allerdings gefesselt am Leben. Natürlich wehrte die Eule sich mit all ihrer Kraft aber der Kraft von den Wurzeln eines Birkenbaumes konnte sie nicht widerstehen. Cillian versuchte sein bestes die Eule bis zum Ritual am Leben zu erhalten und fütterte ihr die Mäuse, welche sich seit nunmehr acht Tagen in der Behausung von ihm und seinen Eltern eingenistet hatten. Zwar beruhigte sich die Eule dadurch nicht, aber sie war etwas gewilligter in diesem Zustand zu verweilen. Zu Cillians Überraschung war eine Eule schwerer, als er angenommen hatte, den sie die weiten Weg aus dem Wald bis zur Gemeinde zu tragen waren anstrengender und langwieriger als er zuerst angenommen hatte. Es könnte aber auch durchaus daran liegen, dass die Eule in einem dicken Pelz von schweren Birkenwurzeln eingeschlossen war und sich nicht richtig bewegen konnte.

Heute war der Tag, an welchem Cillian endlich ein waschechter Druide werden würden. Er war zwar etwas nervös, aber diese Nervosität wurde von seiner noch stärkeren Freude übertrumpt und besiegt. Zusammen mit den anderen Druiden, welche kurz vor der Vervollständigung ihrer Ausbildung standen. Jeder der fünf anderen Schüler, einschließlich Ailís hatte das Tier erlegt und den Schädel in der Hand. Cillian sah sich die Auswahl seiner Nächsten an und war recht erstaunt. Ein Fuchs, ein Otter, ein Wolf, ein Hirsch und zu guter letzt Ailís Ausbeute; eine Schildkröte. Trotz ihrer erhabenen Rede vor ein paar Tagen, dass sie sich entweder ein Hirsch oder einen Wolf als Opfer nimmt hatte sie sich wohl doch für die Schildkröte entschieden. Genauso überrascht, wie auch Cillian guckte, schaute Ailís ihn mit Stolz und Verwunderung an, als sie die Eule in den Händen von Cillian sah.

"Ich habe es zwar nicht gedacht, aber du hast es wirklich geschafft eine Eule zu fangen? Ist das denn eine Eule?", fragte sie neugierig. Cillian bestätigte mit einem simplen Nicken die Frage von Ailís und sie schaute sich jetzt nur noch genauer die Eule an.

"Ich bin eher überrascht, dass sie noch lebt, warum hast du sie denn am Leben gelassen?"

"Nun ja, ich dachte, ich würde mit ihrer Seele eine tiefere Verbindung aufbauen, wenn sie mich näher kennenlernt und mich nicht als ihr Jäger in Erinnerung hat. Das könnte das Band unserer eventuell noch mehr vertiefen, wenn das Ritual erst abgeschlossen wurde.", beantwortete Cillian und versuchte dabei die Theorie der Tieropferung erstmals ruhen zu lassen, bis es soweit ist. Bis sie ihr Ziel erreichen, waren es ja nur noch wenige Minuten und der Pfad unter ihnen wurde immer wilder und wilder.

Als die Gruppe mit ihrer vorherigen Lehrerin nun schlussendlich an dem Wasserfall angekommen war bat sie zuerst Ailís herein, da sie den kleinsten Kopf, den der Schildkröte, als Opfer dargeboten hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder hinter dem Wasserfall hervorkam und eine nun lebendige Schildkröte auf den Armen trug. Sie war recht glücklich über ihre Wahl, wie es scheint, aber die beiden konnten wohl erst miteinander reden, wenn sie wieder im Dorf waren. Líará hatte ihren Schülern verboten zu reden, solange die Rituale stattfanden. Sie meinte, es würde die Konzentration der Ausführenden unterbrechen, wenn sie vom weitem "sinnloses Gequatsche" hören würden. Nach etwas mehr als zwei Stunden war auch schließlich Cillian dran und er nahm seine noch lebende Eule mit zum Altar. Auf dem Weg zum Altar in der Höhle konnte er einige Runen an den Wänden sehen, welche die Seelen der Toten ehren und binden sollen. Aber auch andere Runen, wie etwa für die Ernte oder für eine sichere Reise in die Anderswelt konnte er sehen. Nach einem Fußweg von etwa einer Minute konnte Cillian auch schon seine Lehrerin sehen, welche mit einem Schlachtmesser bewaffnet auf ihn wartete.

"Cillian, du bist einer der wenigen, die ich in meinem Leben unterrichtete, welche statt eines Tierkopfes ein lebendes Tier hier her brachten. Ich nehme an, du weist, dass für das Ritual das Tier allerdings tot sein muss. Nur der Schädel darf auf den Altar gelegt werden. Bitte, tue, was getan werden muss.", sagte Líarßa mit eiskalter und trockener Stimme. Cillian war sich bereits über diesen Fakt bewusst und nahm das Schlachtmesser, welches seine Lehrerin im entgegenstreckte an. Er lag die noch immer gefesselte Eule sanf auf ein nahes Steinpodest, welches mit trockenem Blut verschmiert war. Zu seiner Überraschung versuchte die Eule sich nicht aus den fängen der Wurzeln zu befreien und schloss ihre Augen langsam und richtete ihren Kopf gerade aus. Cillian lag seine Stirn an die Stirn der Eule und nach einigen Augenblicken erhob er sich und holte mit dem Messer zum Schlag aus. Ein einsamer Knall von hartem Eisen auf Gestein hallte durch die Höhle und nahm sie komplett ein. Stille. Danach war nichts anderes zu vernehmen als die schmerzhafte Stille in welcher niemand etwas sagte. Er hob den nun abgetrennten Kopf der Eule und platzierte ihn auf dem Altar als Opfer für die Göttin Danu.

Líará bot ihm ein Stück Holzkohle an, damit er die nötigen Runen für das Ritual zeichnen konnte, aber er nahm das Stück nicht an. Verwundert sah ihn seine Lehrerin an, als er sich wieder zu dem totem Körper der Eule bewegte. Mit seinem Zeige-, Mittel- und Ringfinger ging er in den abgetrennten Hals der Eule und beschmierte sie mit ihrem frischen Blut. Danach ging er zum Altar und zeichnete die Runen auf das kalte und glatte Gestein des Altars. Wenn das Blut an seinen Fingern trocknete, ging er zurück zu dem Körper und tauchte sie erneut ein. Dies wiederholte er, bis er die nötigen Runen aufgezeichnet hatte.

Er schrieb die für das Ritual nötigen Runen: " ᚛ᚐᚅᚔᚋ᚜ ᚛ᚐᚉᚆᚈ᚜ ᚛ᚄᚒᚈᚆᚐᚔᚅ᚜ "

Und die Runen, welche für ihn und seinen neuen Begleiter benötigt wurden: " ᚛ᚁᚓᚑ᚜ ᚛ᚉᚓᚉᚆᚈᚐᚏ᚜ ᚛ᚐᚉᚉᚑᚋᚑᚂ᚜ ᚛ᚋ᚜ ᚛ᚁᚓᚒᚄ᚜ "

Und zum Schluss sprach er noch die eben geschrieben Runen aus und lehnte seine Stirn erneut auf die Stirn der Eule. Ein eiskalter Schauer fuhr im über seinen Rücken, als er die Worte ausprach und bemerkte, wie eine nach der anderen Information in seine Seele eingebrannt wurde.

"Anim acht suthain - Béo cechtar accomol m beus", flüsterte Cillian mit Bedacht. Ihn erfasste ein unglaublicher Schmerz in der Brust und sein Herz schlug schneller und schneller. Schließlich ging er zu Boden und seine Brust brannte wie das ewige Feuer der heiligen Sonne. Der Kopf des Tieropfers begann in einem grellen, blauen Schein zu schimmern und sich in mehrere einzelne Tropfen aufzulösen. Diese Tropfen waren nur so groß, wie die Spitze des kleinsten Fingers und nachdem der ganze Kopf sich in diese aufgelöst hatten schwebten sie gen Cillians Mund, welcher von dem stechenden und stärker werdenden Schmerz in seiner Brust sich immer weiter öffnete. Einzelnen wanderten die Tropfen in Cillians Mund und er schluckte sie, einer nach dem anderen herunter. Auf ihn hatte es eine beruhigende Wirkung und mit jeden Schluck wurde der Schmerz erträglicher und sanfter zu ihm. Als er den letzten Tropfen schluckte verschwand der Schmerz vollkommen und Cillian konnte sich wieder aufrichten. Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er vollständig, wie seine Seele in ihm pulsierte und ihm Kraft gab. Um das Ritual abzuschließen reinigte er den Altar von dem Blut mit dem Wasser des Flusses, welches seine Lehrerin ihm bereitgestellt hatte. Zusätzlich nahm er den kopflosen Körper der Eule und ging aus der Höhle heraus. An seinen Freunden und an Ailís ging er vorbei, tief in den Wald hinein mit dem Körper der Eule auf beiden Armen. Er suchte sich eine ruhige Stelle unter einer Birke und begann mit seinen Händen den Körper zu vergraben und ihn zu huldigen. Nachdem er die Eule vergraben hatte, sprach er seine ersten Worte, nach dem Abschluss des Rituals.

"Eine gute Reise in die Anderswelt und willkommen auf meiner Schulter, Parnter." Auf seiner linken Schulter manifestierte sich die Eule, welche er eben noch geköpft und begraben hatte. Ihre Krallen gruben sich in die Kleidung von Cillian und sie schmiegte ihre Körper an den Kopf des Mannes, der sie eben getötet hat. Zusammen gingen die Beiden zurück zu der Höhle und ließen die sterblichen Überreste zurück.

Einige Jahre später

Es war ein Tag vor Samhain und in der Gemeinde haben schon alle mit den Vorbereitungen begonnen. Cillian war einer der engagiertesten Vorbereiter des Festes, denn er hatte die Ehre die Runen und den Schmuck für den heiligen Baum vorzubereiten und damit den Toten zu ehren. Jeder in dem Dorf anwesende Duide schrieb eine Rune auf eine Steinplatte und trug sie zum heiligen Baum. Bisher waren alle Runen recht identisch, da keiner der Druiden sich wirklich traute etwas anderes zu schreiben, selbst Ailís hatte die Idee verworfen eine andere zerominelle Rune auf Stein zu schreiben. Sie wollten nicht mit der Schuld leben, dass die Toten durch die Runen verärgert werden würden und Cillian konnte sie alle verstehen. Aber dieses Mal dachte er sich, dass er etwas anderes schreiben möchte, damit er den Toten besser ehren kann und so schrieb er in Runen eine Nachricht an die Toten. Sie bedeute, wenn man sie grob übersetzen möchte, dass die Toten in Frieden in der Anderswelt ruhen sollten und das ihre Seele auf immer geehrt sei.

Zudem war ihm noch eine Ehre zuteil geworden. Er wurde von der Erzdruidin Líará als ihr Schüler für die Erzdruidschaft angenommen. In der Geschichte des gesamten Stammes gab es bisher nur vier Erzdruiden und er würde nun der Fünfte sein und die Lehren der Druiden für die folgende Generation der Druiden lehren. Cillian war überglücklich darüber, dass in seinem Leben bisher so viele seltene und ehrvolle Dinge geschehen sind. Zuerst seine Druidschaft und sein loyaler Partner, als auch die Möglichkeit das Fliegen zu erlernen und sich in eine Eule zu verwandeln, dann die medizinische Hilfe, welche er allen Stammesbewohnern anbietet, die glücklichen Gesichter derjenigen, die er heilte. Dann noch das wohl glücklichste, seine Parterin Ailís, welche mit ihm pflegte den Rest ihres Lebens zu verbringen und als wenn dies nicht genug wäre die Ehre höchstpersönlich das diesjährige Samhain zu leiten und zu feiern. Es hätte einfach nichts noch besser werden können in seinem Leben und er stolzierte durch die Pfade des Dorfes voller Selbstbewusstsein und Vertrauen in sich selbst.

10 Stunden später

"Scheiße, scheiße, scheiße, scheiße, schei-", hächelte Cillian als er über eine herausgewachsene Wurzel stolperte. Sein Gesicht war mit Blut und Dreck verschmiert, seine Kleidung war zu Teilen verbrannt und in seinen Armen hielt er die beinahe leblose Ailís. Sie bewegte keinen Finger, kein Bein, keinen Arm und ebenfalls nicht ihre Lippen. Sie versuchte ihre Augenlieder offen zu halten doch das einzige was sie sah, war das panische Gesicht ihres Liebhabers, welcher sie weg von dem Stamm, weg von dem heiligen Baum und weg von Samhain trug. Seine Eule, welche den Namen "Eire" trug, flog über ihm und über den Bäumen. Ab und zu würde sie herunterfliegen und Cillian anschreien, wodurch er die Richtung änderte. Sie flohen solange sie konnten, der Atem von Cillian wurde immer schwerer und lauter. Keuchend. Doch er rannte immer weiter und weiter, wollte vergessen, was geschehen war, doch er konnte es nicht. Es war alles so friedlich, doch dann… Die Vorbereitungen liefen gut und alles war so ruhig, doch dann… Ailís besuchte ihn während seinen Vorbereitungen und sie scherzten miteinander, doch dann… Doch dann regnete es Feuer vom Himmel, zwei Raben, einer in Schwarz und einer in Weiß flogen in Kreisen über den Himmel, die Häuser, die Kleidung und der heilige Baum fingen an zu brennen. In dem Chaos versunken bemerkte niemand die Armee and Männern und Frauen, welche mit großen Äxten, Schwertern und Schilden bewaffnet auf den Stamm hinzugestürmt kam und jeden, der sich verteidigte tötete. Sie durchsuchten jedes Haus, nahmen Frauen und Kinder als Gefangene, töteten die Männer, vergewaltigten die zu Boden gegangenen Frauen und zerstörten alles, was ihnen in den Weg kam. Cillian nahm Ailís bei der Hand und fliehte mit ihr aus dem Dorf. Er wollte noch seine Eltern und seinen vor kurzem geborenen Bruder holen, doch diese rannten in Flammen aufgehend aus dem Haus und verbrannten am Boden zu Tode mit den qualvollsten Schreien, die er sich nicht einmal vorstellen konnte. Dann bemerkte er erst den Gestank des Blutes und des verbrannten Fleisches und Holzes, welcher nach und nach die Luft einnahm. Ein Feuerregen nach dem Anderen und schließlich wurde Ailís getroffen. Sie schrie vor unerbitterlichen Schmerzen und fiel auf die Knie. Er hob sie auf und rannte mit ihr aus dem Dorf. Zwar wollte sie wissen, wie es ihrem Parnter geht, aber dieser war nicht ansprechbar. Wie im Rausch rannte er einfach geradeaus weg, mit ihr auf den Armen.

Nachdem Cillian mit Ailís weit genug gerannt war lag er eine Pause ein und begriff erst jetzt, in welcher Lage sie sich befinden. Er wollte, dass dies alles ein böser Traum war, dass das Blut an seinem Körper verschwindet und er gemeinsam mit Ailís aufwacht. Doch dazu kam es nicht, seine Lungen brannten, seine Knie waren weich, er zitterte am ganzen Leib und die Krallen von Eire brannten auf der Schulter, als sie sich ins Fleisch bohrten. Dies war kein Traum, es war die bittere Realität und Ailís lag regungslos in seinen Armen. Er fasste sie überall an, versuchte eine Reaktion zu bekommen, aber es kam keine. Ihr Atem war still, ihre Brust erhob sich nicht mehr und ihre Augen waren geschlossen. In seinen Armen, vor seinen Augen starb seine Geliebte. Es war zu spät, wahrscheinlich würde er nie wieder jemanden sehen, der ihm was bedeutete. Er sammelte seine letzte Kraft und kanalisierte die Energie der Erde durch seinen Arm in seinen Brustkorb und schließlich sprach er "A delbá ball ellach" und verwandelte sich in eine Eule. Er schmolz mit seinem Begleiter zusammen und erlangte die Form und Fähigkeiten einer jeden Eule. Er wollte losfliegen, doch er vergass, dass er eine Tasche bei sich trug. Diese Tasche hatte Líará ihm gegeben und sie enthielt alle Dokumente, die Líará anfertigte. Er wusste zwar nicht, warum sie ihm diese wertvolle Tasche gab, aber nun verstand er es, sie musste dieses Ereignis vorhergesehen haben… Aber warum sage sie dann nichts? Das war ihm nun egal, er musste fliehen und das Erbe der Druiden bewahren. Er kratzte mit seinen Fußkrallen die Runen für "A delbá port scáth", welche die Tasche so sehr verkleinerte, dass sie für ihn in seiner Eulenform tragbar war. Und dann flog er los. Er flog immer weiter und weiter, erblickte mehrere Dörfer, ebenfalls brennend, er erblickte das weite Meer, von welchem ihm immer erzählt wurde, als er noch ein Kind war. Er flog solange weiter, bis er wieder an Festland ankam und schlussendlich landete.

Er hatte sich in diesem Augenblick geschworen, dass er solange leben würde, bis die Druiden wieder auferstehen würde, dass er solange Leben würde, bis all die Praktiken und Lehren seiner Lehrerin in die richtigen Hände weitergegeben wurden, dass er sie solange studieren würde, bis er selbst ein Erzdruide war. Er würde als Zeuge der Geschichte umhergehen und versuchen mit aller Kraft zu überleben, bis die Druidenschaft wieder zu dem wird, was es gestern war. Und wenn dies mehr als tausende von Jahren dauern würde, er würde leben.

Fortsetzung folgt


Nächster Teil»

Name Beith Luis Fearn Sail Noin
Rune
Buchstabe B L W, F S N
Name Uath Dair Tinne Coll Ceirt
Rune
Buchstabe J, H D T K, C Kw, Q
Name Muin Gort nGéadal Straif Ruis
Rune
Buchstabe M G Gw, Ng St, Ts, Sw, Z R
Name Ailm Onn Úr Eadhadh Iodadh
Rune
Buchstabe A O U E I
Name Éabhadh Ór Uileann Ifín Eamhancholl Peith
Rune
Buchstabe K, X, EO, EA OI UI P, IO, IA X, AI, AE P
Name Anfang Leer Ende
Rune
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